
Paradoxe Juden? Von erworbenen und entworfenen Zugehörigkeiten
Unter dem Stichwort "Paradoxe Juden" disktuieren auf dem Podium Schriftsteller und Kolumnist Alexander Estis, Musiker Matitjahu Kellig und Dichterin und Übersetzerin Gundula Schiffer über Fragen der Zugehörigkeit und jüdischen Identität.
Alexander Estis ist Schriftsteller und Kolumnist. 1986 in einer Moskauer Künstlerfamilie geboren, studierte er in Hamburg deutsche und lateinische Philologie; anschließend lehrte er Literatur an verschiedenen Universitäten in Deutschland und in der Schweiz, wo er seit 2016 als freier Autor lebt. Alexander Estis schreibt u.a. für Die Zeit, Deutschlandfunk Kultur, NZZ und das Neue Deutschland. Einen Schwerpunkt seiner kolumnistischen und essayistischen Arbeit bilden Kulturpolitik und Kulturbetrieb; 2022 entwarf er im Auftrag des Integrationshaus e.V. für Kulturinstitutionen - insbesondere in Köln - den "Vielheitsplan Kultur". Bislang hat Alexander Estis vier Bücher publiziert; im September 2022 erscheint sein Prosaband Fluchten, in dem er sich mit realen und fiktiven Fluchtgeschichten befasst. Seine Texte werden außerdem in Zeitschriften wie unter anderem Sinn und Form, Lichtungen oder Entwürfe veröffentlicht. Alexander Estis ist Mitglied der Vereinigung Autorinnen und Autoren der Schweiz, des PEN-Berlin und des Exil-PEN. Für seine Texte erhielt er mehrfach Auszeichnungen und Stipendien; derzeit ist er Stadtschreiber von Heilbronn. Seine Texte sind von charakteristisch jüdischem Humor geprägt; Schriftsteller und Kritiker Patrick Wilden bemerkt dazu: "Für die deutsche Literatur ist Alexander Estis ein Glücksfall, weil er eine Form von Humor ins Spiel bringt, die bei uns viel zu selten anzutreffen ist - Salcia Landmann nennt als ihre modernen Vertreter Heinrich Heine, Kurt Tucholsky und Karl Kraus."
Gundula Schiffer, geboren 1980 in Bergisch Gladbach, lebt als Dichterin und Übersetzerin in Köln. Sie schreibt Lyrik hauptsächlich auf Deutsch, aber auch auf Hebräisch. Studium der Komparatistik, Kunstgeschichte und Philosophie sowie der hebräischen Sprache und Literatur in München und Jerusalem; 2010 Promotion zur Poesie der Psalmen (Beredtheit der Form). Neben dem Lyrikband Jerusalem-Köln. Süden über meinem Buch von dem Größenwahn Verlag in 2017 veröffentlichte sie Gedichte in Anthologien, Literaturzeitschriften und Online-Magazinen. Ausgewählte Gedichte wurden ins Englische, Hebräische, Mazedonische, Serbokroatische und Spanische übersetzt. Zuletzt erschien unter anderem die Anthologie Was es bedeuten soll. Neue hebräische Dichtung in Deutschland, herausgegeben und aus dem Hebräischen übersetzt mit Adrian Kasnitz von parasitenpresse im Jahr 2019. Für die Arbeit an ihrem Lyrikband Hioba Hymore, der im Frühjahr 2023 im Elif Verlag erscheint, erhielt sie eines der beiden Dieter-Wellershoff-Stipendien 2021 der Stadt Köln. Mit dem Langgedicht "Wahrer als seine ganze unverstandene Welt" stand sie auf der Shortlist für den Lyrikpreis München 2021. Im Juni 2022 erschien im Verlag Ralf Liebe ihr neues Buch Gronau / Gauguin mit zwei Langgedichten zum Bergisch Gladbacher Stadtteil Gronau und zu Gemälden von Gauguin; beide Text-Zyklen verbindet u.a. die Überblendung von Landschaften - Rheinland, Israel und Tahiti - sowie das Aufscheinen religiöser Dimensionen und Haltungen in Malerei und Literatur.
Matitjahu Kellig wurde 1949 geboren und studierte an den Musikhochschulen in Stuttgart und München. Seine wichtigsten Lehrer waren Professor Maria Landes-Hindemith und Professor Hubert Giesen. Bei Meisterkursen erhielte er prägende Anregungen von Géza Anda, Claudio Arrau und Tatjana Nikolajewa. Mit der Konzertreifeprüfung schloss er 1976 seine Studien ab. 1978 wurde er bereits Dozent für Klavier und Kammermusik an der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität in Frankfurt am Main. Neben einer zusätzlichen Lehrtätigkeit an der Musikhochschule Frankfurt und einer Gastprofessur in Taiwan gab Matitjahu Kellig zahlreiche Klavierkurse, u.a. mit allen Klaviersonaten Mozarts in Indonesien, einen Schumann-Interpretationskurs in Deutschland sowie Meisterkurse in China, Malaysia, Zypern, Vietnam, Taiwan, Argentinien, Griechenland, Italien und in Israel. Ausgedehnte Konzertreisen führten Matitjahu Kellig in über 60 Länder der Erde: Vielfach bereiste er den Nahen und Mittleren Osten, Afrika, Südost-Asien, China und Indien, konzertierte in fast allen Europäischen Ländern sowie in Kanada und Argentinien. Seit vielen Jahren tritt er regelmäßig in Israel auf. Ab 1992 leitete Matitjahu Kellig eine Klavierklasse als Professor an der Hochschule für Musik in Detmold. Als Solist konzertierte er u.a. mit dem Singapore Symphony Orchestra, dem Metro Manila Symphony Orchestra, den Stuttgarter Philharmonikern, dem Taipei Symphony Orchestra, dem Madras Chamber Orchestra, dem Rundfunk Orchester Jakarta und dem Israel Kibbutz Chamber Orchestra. Bei Orchesterkonzerten tritt er auch in Personalunion als Pianist und Dirigent in Erscheinung. Außer bei Klavierabenden wirkt Matitjahu Kellig als gefragter Kammermusiker und Liedbegleiter.
