
Vermeintliche Brüder
Die Geschichte und die Gegenwart eines Landes oder von Länderbeziehungen durch die jeweilige Literatur zu erzählen, ist ein Wagnis, das Verzerrungen und künstlerische Deformationen bereitwillig in Kauf nehmen muss. Vor drei Jahren ging der Literaturwisschaftler Dr. Oleksandr Zabirko dieses Wagnis ein und führte in der Akademie Franz Hitze Haus in dem Forum "Die Ukraine im Spiegel der Literatur" an die ukrainische Literatur heran. Viel ist seitdem geschehen. Die Akademie freut sich in diesem Frühjahr sehr, dass Dr. Oleksandr Zabirko erneut die Einladung angenommen hat und den Experten für Osteuropa Studien und langjährigen Ordinarius am Slavisch-Baltischem Seminar der Universität Münster, Prof. Dr. em Alfred Sproede, gewinnen konnte.
Der Krieg zwischen zwei vermeintlichen Bruderstaaten - Russland und der Ukraine - wird im Seminar nicht aus einer militärischen oder geopolitischen, sondern primär aus einer literarischen Perspektive besprochen. Die literarischen Streifzüge in die Vergangenheit werden dabei in einer Wechselbeziehung zu der Analyse der gegenwärtigen Literaturproduktion in Russland und der Ukraine stehen. Mit dem Fokus auf Literatur als Ort der kulturellen Verhandlungen verspricht das Seminar wertvolle Einblicke in die Geschichte und Gegenwart Osteuropas: Schließlich spiegelt die Literatur nicht nur die Realität wider, sie schafft soziale und politische Realitäten aus eigener Kraft.
Dr. Oleksandr Zabirko, Literaturwissenschaftler (Slavist),Universität Regensburg, Promotion über Literatur und Geopolitik in der Ukraine und Russland (2020), Publikationen zu Michail Bulgakov, Serhij Zhadan, zur postsowjetischen Fantastik sowie zu diversen Fragen der russischen und ukrainischen Geistesgeschichte.
Prof. Dr. Alfred Sproede, Slavist und Komparatist (WWU Münster). Promotion über Roman und Utopie nach 1917: Andrej Platonov (1982); Habilitation über polnische Renaissancedichtung (1993). Gastprofessuren in Krakau, Mailand sowie an der Harvard University. Arbeiten zur Romantik (Puschkin, Schewtschen ko) und Moderne (Ivan Franko, Bruno Schulz, Zbigniew Herbert), zum slavischen, speziell ukrainischen, Unterhaltungstheater, sowie zur osteuropäischen Sozial- und Rechtsphilosophie.