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Bundesverdienstkreuz für Dr. Jürgen Wilbert

Schon 2005 begründete er zusammen mit Dr. Friedemann Spicker das Deutsche Aphorismus-Archiv (DAphA) Hattingen.

Dr. Jürgen Wilbert

Dr. Jürgen Wilbert aus Düsseldorf ist am Dienstag, 16. April, das Verdienstkreuz am Bande des Verdienstordens der Bundesrepublik Deutschland verliehen worden. Oberbürgermeister Dr. Stephan Keller hat die Auszeichnung im Rathaus überreicht. Dr. Jürgen Wilbert hat sich im Jan-Wellem-Saal des Rathauses für die Auszeichnung bedankt. Dabei zitierte er den polnischen Autor Stanisław Jerzy Lec (1909-1963), der ihn in seiner Jugend mit dem Aphorismus in Berührung brachte: "Wer den Lorbeerkranz annimmt, verrät das Format seines Kopfes."

Auszug aus der Vorschlagsbegründung:

Herr Dr. Wilbert ist verheiratet und war bis zur Pensionierung als Leiter des Kulturamtes der Stadt Hattingen tätig. Herr Dr. Wilbert veranstaltete das erste Aphoristiker-Treffen zusammen mit Herrn Dr. Friedemann Spicker im Jahr 2004 als Forum für den Austausch von Freundinnen und Freunden dieser Prosa-Gattung. Gemeinsam organisierten sie weitere Aktivitäten und Vorhaben für Aphoristiker, Autoren und Fachleute. Die Aphoristiker-Treffen finden seitdem alle zwei Jahre in Hattingen statt - zu jeweils speziellen Leitthemen.

Herr Dr. Wilbert schaffte es mit seinem rein ehrenamtlichen Engagement ein umfangreiches Archiv für diese Gattung in den Räumen des Stadtmuseums Hattingen aufzubauen. Schon 2005 begründete er zusammen mit Herrn Dr. Spicker das Deutsche Aphorismus-Archiv (DAphA) und sorgte dank guter Vernetzung dafür, dass die Aktivitäten des Archivs auch weit über die Grenzen der Stadt Hattingen hinaus bekannt wurden und sich viele Anhänger dieser kleinsten Literaturgattung fanden.

Herr Dr. Wilbert und Herr Dr. Spicker entwickelten mit viel Einsatz umfangreiche Publikationen, wie etwa "Der Aphorismus in Westfalen", der unmittelbar einen Nachfolger zum Thema "Der Aphorismus im Rheinland" nach sich zog und schließlich 2021 in der Neuerscheinung "Der Aphorismus in Europa" mündete. Neben den regelmäßig veranstalteten und bis heute stattfindenden Aphoristiker-Treffen organisierten die beiden auch Aphorismen-Wettbewerbe, die ihrerseits zu weiteren Publikationen geführt haben. Denn der europaweite Aphoristiker-Wettbewerb wird mit einer dotierten Preisverleihung verbunden - erster Preis ist der sogenannte "Hattinger Igel" - und der Publikation der prämierten Aphorismen in Buchform.

Durch die Gründung des Fördervereins Deutsches Aphorismus-Archiv im Jahr 2005 mit inzwischen rund 100 Mitgliedern aus allen Teilen Deutschlands sowie aus Österreich, der Schweiz, Luxemburg, Slowenien und vielen Literaturfreunden unter anderem in Polen, England und Italien ist Hattingen auch dort als Sitz des Deutschen Aphorismus-Archivs bekannt geworden. Dr. Jürgen Wilbert ist 1. Vorsitzender des Vereins und hat vorrangig die Ideen und Aktivitäten des Fördervereins erfolgreich realisiert.

Durch den Verein als Träger wurde der Aufbau der Aphorismusbibliothek ermöglicht. Nach und nach entstand eine Sammlung mit Autorinnen und Autoren, die Aphorismen schreiben und Bücher, die sich mit dem Thema "Aphorismus" literaturwissenschaftlich auseinandersetzen. Die Bibliothek enthält auch ein Archiv für ungedruckte Materialien, und eine entsprechende Datenbank wurde entwickelt. Die Bibliothek ist eine Präsenzbibliothek. Sie sammelt Originalbände, Gesamtausgaben mit aphoristischem Anteil und gebundene Kopien von nicht erhältlichen Exemplaren samt der zugehörigen Forschungsliteratur. Mehrere hundert Autoren sind hier erfasst. Sie verfügt bisher über ca. 3.500 bibliothekarische Einheiten. Die unselbstständige Literatur ist in mehr als 50 Ordnern erfasst. Mittlerweile ist diese Sammlung aus Platzgründen seit wenigen Jahren ein Teil der Universitäts- und Landesbibliothek Düsseldorf geworden.

Herr Dr. Wilbert veranstaltet jährlich wissenschaftliche Tagungen zur Aphorismusforschung, deren Ergebnisse ebenfalls als Tagungsbände publiziert werden, des Weiteren die jährliche "DAphA-Depesche" sowie ein Quiz. Angefangen von der Sponsorensuche, dem Einwerben von Spenden, den Vorbereitungen für Veranstaltungen, Wettbewerben und Lesungen, über die Leitung und Auswertung, die Arbeit mit Schülerinnen und Schülern im Leistungskurs Deutsch in Schulen in Hattingen bis zu Publikationen und ihrer Herausgabe - Dr. Jürgen Wilbert war und ist stets aktiv.

Die kulturellen Verdienste von Herrn Dr. Wilbert und Herrn Dr. Spicker sind auch deshalb besonders beeindruckend, weil sie über all die Jahre nicht nur ehrenamtlich erfolgen, sondern ihr gemeinsames Engagement in Absprache stets reibungslos im Team funktioniert: Wenn der Eine nicht verfügbar war, übernahm der Andere die nicht aufzuschiebenden Aufgaben des jeweils anderen in großer Selbstverständlichkeit.

Dr. Friedemann Spicker erhielt das Bundesverdienstkreuz am 13. Mai in Siegburg. Das nächste Aphoristikertreffen zum Thema Grenzerfahrungen und Grenzüberschreitungen findet am 25. und 26. Mai in Hattingen statt.

Dr. Jürgen Wilbert und Dr. Friedemann Spicker

Bundesverdienstkreuz - Verleihung am 16.4.2024 in Düsseldorf
Aphoristische Replik zu einer besonderen Ehrung von Dr. Jürgen Wilbert

Eingangs eine Bemerkung von dem Aphoristiker, der mich in meiner Jugend überhaupt erst mit der Gattung in Berührung brachte, vom polnischen Autor Stanislaw Jerzy Lec (1909-1963): "Wer den Lorbeerkranz annimmt, verrät das Format seines Kopfes." Was heißt hier "in Berührung brachte" - seine "ungekämmten Gedanken" (so lautet der Titel des schmalen, aber gehaltvollen Bändchens) haben mich seinerzeit als Oberstufenschüler fasziniert, übrigens auf dem Lessing-Gymnasium. Insofern zähle ich in der Tat zur Riege der verlecten und das heißt von Lec beeinflussten Aphoristiker. Diese Begeisterung für den Aphorismus hat im Grunde bis auf den heutigen Tag nicht aufgehört. (Hier noch einer meiner Lieblingsaphorismen von Lec.: "Sein Gewissen war rein, er benutzte es nie.")

Zum obigen Bild des Lorbeerkranzes schreibt der Autor Wolfgang Eschker: "Manchmal drückt ein Lorbeerkranz mehr als eine Dornenkrone." Womit wir metaphorisch überspitzt bei der ambivalenten, ja verunglimpfenden Bezeichnung der "Kreuzigung" gelandet wären, aber im Grunde auch bei der nachwirkenden Verpflichtung. Hierzu passt ein Bonmot, das dem ehemaligen Sozialminister Heiner Geißler zugeschrieben wird: "Wer sich auf seinen Lorbeeren ausruht, trägt sie an der falschen Körperstelle."

Im Hinblick auf die eigene Beschäftigung mit der Gattung und insofern auch in Bezug auf diese Ehrung darf ein anderer Aphoristiker nicht fehlen: Elias Canetti (1905-1994). Sein Aphorismus "Die großen Aphoristiker lesen sich alle so, als hätten sie einander gekannt" sorgte für die gedankliche Initialzündung zum 1. Aphoristikertreffen 2004 in Hattingen. Denn ohne diese originelle Idee und die Förderung durch die Kunststiftung NRW gäbe es sämtliche Folgeaktivitäten nicht: das Deutsche Aphorismus-Archiv, die weiteren neun Aphoristikertreffen, die Aphorismen-Wettbewerbe, den Förderverein mit Mitgliedern aus ganz Deutschland, Österreich, Schweiz, sowie die diversen Publikationen, Fortbildungsseminare …

Nun zu einer ausschlaggebenden Personalie: Ohne die Initiative von Herrn Rolf Mohr, dem Kommunikationsexperten und Führungskräftetrainer aus Mannheim, gäbe es diese Auszeichnung hier und heute (und auch am 13. Mai für Mitstreiter Friedemann Spicker in Siegburg) nicht; es versteht sich von selbst, dass Mohr im Rahmen seiner Dozententätigkeit selber von Sprache und Verständigung begeistert ist. Seine Aufsätze und Bücher sind durchweg von Gedankenblitzen und Wortwitz gekennzeichnet; von ihm stammt übrigens dieser aktuell passende aphoristische Kommentar (mal wieder geht es um den Lorbeerkranz): "Auf manches Hirn wirkt Lorbeer auf dem Kopf toxisch." Und trotz dieser Befürchtung hat er meinen aphoristischen Kompagnon und Freund Friedemann und mich - sozusagen als Tandem für diese ehrenvolle Auszeichnung vorgeschlagen.

Bei diesem Verfahren war in der Tat viel Geduld vonnöten; dies hat auch Emanuel Wertheimer so auf den Punkt gebracht: "Man braucht viel Geduld, um durch wahres Verdienst vorwärtszukommen." Treffend ist in diesem Zusammenhang auch dieser Ausspruch vom französischen Moralisten Jean de La Bruyere: "Fast niemand bemerkt von sich aus das Verdienst eines anderen." Dem muss ich jedoch vehement widersprechen; denn Rolf Mohr hat es nicht nur bemerkt, sondern auch tatkräftig in Gang gesetzt. Dafür ein herzliches Dankeschön.

Ich stimme einem meiner Lieblingsautoren - Mark Twain - zu, wenn er wie folgt differenziert. "Es ist ehrenhafter zu verdienen und nicht geehrt zu werden, als geehrt zu sein und es nicht zu verdienen." Es gilt schließlich auch diese boshafte, selbstkritische Definition von Aristide Briand, einem ehemaligen französischen Außenminister: "Orden: ein kostensparender Gegenstand, der es ermöglicht, mit etwas Blech viel Eitelkeit zu befriedigen." Bei allen aphoristisch-satririschen Bedenken im Hinblick auf die Verleihung dieses Ordens ist meine Freude darüber dennoch sehr groß, denn sie stellt auch eine Würdigung der kleinen, häufig übersehenen Literaturgattung.

Hier abschließend noch einige Worte des Dankes an die Anwesenden, denn ohne deren ideelle und finanzielle Unterstützung wäre mein / unser Engagement in Sachen Aphorismus so nicht möglich gewesen: Namentlich Stadt Hattingen / Sparkasse Hattingen / Modemann und Ischebeck (für die Referenzen) / Verleger Aehling für die Publikationen / ULB (Sondersammlung) / FS (kongeniales Duo). Und die hier nicht genannten Personen wissen selbst am besten, wodurch sie die Aktivitäten / Leistungen zur Förderung und Verbreitung der kurzen, aber schlagfertigen Gattung unterstützt haben. Allen gilt mein herzliches Dankeschön.

JWD (15.04.2024)

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