Festivals vom literaturland westfalen
Das literaturland westfalen tritt auch mit eigenen Sonderveranstaltungen in Erscheinung. Den Beginn machte im Zeitraum 2012/13 ein umfangreiches Jahresfestival, mit dem das Netzwerk zum ersten Mal in die Öffentlichkeit trat. Im Herbst 2017 veranstalteten die Netzwerkmitglieder mit hier! festival. regional. international. dann zum ersten Mal ein gemeinsames Festival, das unter einem speziellen Thema stand. Der Titel wurde von den vielen beteiligten Partnern auf kreative Weise aufgegriffen und mit jeweils ganz eigenen Inhalten gefüllt. 2021 zeigte das Netzwerk mit europa:westfalen auf, wie international ausgerichtet und vernetzt die hiesige Literaturszene ist, und bewies eindrucksvoll, dass Literatur auch einen wichtigen Beitrag zu gesellschaftlichen und politischen Debatten leisten kann. Unter dem Titel aufbrüche setzte das Netzwerk 2025 Impulse, wie Literaturveranstaltungen geplant werden können, um damit ein breiteres Publikum anzusprechen und für die Wortkunst zu begeistern. Auch Dialoge zwischen Literatur und anderen Kunstgattungen waren im Programm vertreten. In Zukunft soll es noch weitere Festivals geben.

Nach drei Monaten voller kreativer Literaturformate ging im Mai 2025 das große Festival aufbrüche zu Ende. Ziel der Veranstaltungsreihe war es, Literaturveranstaltungen einmal anders zu denken, ein diverseres Publikum zu erreichen und Literatur in Dialog mit anderen Kunstformen zu bringen. Die zahlreichen beteiligten Netzwerkpartner zeigten sich hochzufrieden mit der Resonanz und nahmen viele Impulse aus dem Festival mit in die Zukunft.
Mit über 60 Veranstaltungen in 35 Städten und zahlreichen mitwirkenden Einrichtungen von Münsterland bis Sauerland, von Ostwestfalen-Lippe bis ins Ruhrgebiet zeigte sich erneut die Vielfalt der westfälischen Literaturlandschaft. Zwischen etablierten Bühnen, öffentlichen Räumen und ungewöhnlichen Orten ließ sich entdecken, wie lebendig, vielfältig und gesellschaftsrelevant Literatur sein kann - gerade dann, wenn sie aufbricht in neue Kontexte.

Ein Höhepunkt des Programms war das fest der aufbrüche auf dem Kulturgut Haus Nottbeck. Auf zwei Bühnen wurde die Literatur in all ihren Formen gefeiert. Mit dabei waren unter anderem Oliver Uschmann, Lina Atfah, Antonia Wesseling, Sandra Da Vina, Elisa Aseva sowie Friedemann Spicker und Jürgen Wilbert vom Deutschen Aphorismus-Archiv Hattingen. Das siebenstündige literarische Programm der Extraklasse bot Veranstaltungspunkte und -formen für jeden Geschmack. Am selben Tag wurde auf dem Kulturgut die Sonderausstellung Landstriche eröffnet, die noch bis Ende Juni im Außenraum des Museums für Westfälische Literatur zu sehen ist. Konzipiert wurde sie von dem Lyriker Christoph Wenzel und dem Ausstellungsgestalter Jeremias Vondrlik. Zu sehen ist eine poetische Verdichtung westfälischer Literatur- und Kulturgeschichte. In konzentrierter Form gibt es zusätzlich noch einmal die Möglichkeit, einige der Installationen des Projekts vom 12. Juli bis 31. August im Gartenhaus zu sehen.
Luftballons, Candybar, kreative Workshops und jede Menge Bücher: Damit lockten die Stadtbüchereien Bielefeld und Ahlen Fans der New-Adult-Literatur im März und April. In Ahlen stellte die bekannte Autorin Anya Omah ihren Spiegel-Bestseller "Dark Cinderella" vor und in Bielefeld waren unter anderem Alicia Zett, Bianca Wege und Emilia Laforge zu Gast.
Die meisten Termine wies die vom Rumpelstilzchen-Literaturprojekt organisierte Lesereise "Zeitgrenzen aufbrechen" auf. Autor:innen waren eingeladen, sich mit Texten von 14 Schriftsteller:innen des 18. bis 20. Jahrhunderts auseinanderzusetzen. Ausgewählt wurden diese vorab von den literaturhistorischen Gesellschaften Westfalens und der LWL-Literaturkommission. In verschiedenen Besetzungen stellten beteiligte Schriftsteller:innen ihre Texte denen der historischen Autor:innen gegenüber.

Auch Workshops waren ein Teil des Programms. Unter dem Titel "Ein neues Kapitel beginnen" bot Dr. Mareike Menne vom Verlag Menne & Töchter beispielsweise einen Kurs an, der kreatives Schreiben und Yoga miteinander verknüpfte. Jede Einheit war überdies einem Thema gewidmet, das Raum für Reflexion und persönliche Entwicklung eröffnete.
Die Autor:innen Anja Liedtke und Esra Canpalat beschäftigten sich auf Einladung des Fritz-Hüser-Institus für Literatur und Kultur der Arbeitswelt mit dem ehemaligen Industriegelände der Kokerei Hansa, das bis 2027 für die Internationale Gartenausstellung umgebaut wird. Dabei entstanden neben zwei literarischen Spaziergängen Kurzfilme mit den Autor:innen, die sich jeweils unter einem anderen Schwerpunkt mit der Thematik beschäftigt hatten. Neue Videos werden regelmäßig auf dem YouTube-Kanal vom literaturland westfalen veröffentlicht. Im Oktober soll noch ein Buch über das Projekt erscheinen.
Auch für Kinder gab es beim Festival einiges zu entdecken. In Detmold, Ahlen, Stadtlohn und Unna lud an jeweils zwei Tagen der vom Literaturbüro Ostwestfalen-Lippe in Detmold konzipierte Westfälische Bubble-Wort-Parkour zu spannenden Geschichten und sportlicher Action ein. Schauspieler:innen lasen Geschichten von fliegenden Bällen und einer wilden Verfolgungsjagd, exklusiv geschrieben von den bekannten Kinderbuchautor:innen Jutta Krähling und Christian Tielmann. Dann wurde es sportlich: Die Kinder konnten selbst Bubble-Ball spielen oder beim Parkour Hindernisse überwinden. In der Gemeindebücherei Westerkappeln waren Kinder wiederum zu einer interaktiven Kriminacht eingeladen, bei der sie selbst als Tatort-Reporter:innen, Zeug:innen oder als Schreibende ihres eigenen Krimis aktiv wurden. Unter dem Titel Auf und davon bot das Ferientheater.de außerdem im Kulturzentrum der Abtei Marienmünster einen Workshop für Musicalbegeisterte und junge Leseratten an.

In der Stadtbücherei Bochum wurden bei dem interaktiven Theaterstück Fantastische Zeiten zwischen Seiten Figuren aus Büchern lebendig. Das anwesende Publikum musste Aufgaben bewältigen und Rätsel lösen, um die Geschichte zu einem guten Ende zu führen. In der Stadtbibliothek Recklinghausen bot dagegen das Theater der Dämmerung ein magisch-verwunschenes Schattentheater an, in dem zwei Künstler Antoine de Saint-Exupérys Klassiker Der kleine Prinz inszenierten.
Mit einer eindrucksvollen Performance im Haus Rüschhaus widmete sich Burg Hülshoff - Center for Literature der Gebärdensprachpoesie. Taube und hörende Sprachkünstler:innen hatten dafür in zwei Tandems (Rafael-Evitan Grombelka mit Simone Scharbert, sowie Miedya Mahmod mit Jon Savkin) neue Gebärdensprachpoesien und Lyriken erarbeitet.
Für den Westphalian Poetry Slam brachte die Vorlesebande fünf der renommiertesten Poetry-Slammer:innen aus dem deutschsprachigen Raum nach Westfalen. Jan-Philipp Zymny (zweifacher deutschsprachiger Meister), Elif Duygu (Österreichische Meisterin 2022), Fine Degen (Schweizer U20-Meisterin 2022), Felix Maier (Südtiroler U20-Meister 2019) und Sara Andjelkovic (Luxemburgische Meisterin 2023) boten in Detmold, Marl, Schmallenberg und Rheine ein Bühnenerlebnis der Extraklasse.
Slam-Poetry gab es aber auch an ungewöhnlicheren Orten. Gemeinsam mit Sandra Da Vina und dem Kulturbüro der Kreisstadt Unna machte sich eine Gruppe literarischer Entdecker:innen mit dem Literatur-Express auf den Weg zu berühmten Schauplätzen der Schlösser- und Industriekultur Westfalens. Beim Schloss Nordkirchen, in der Lindenbrauerei Unna oder auf Burg Vischering trug die Autorin und Poetry-Slammerin exklusiv verfasste Texte über Historie, Gegenwart und Zukunft des jeweiligen Ortes vor. Fachkundig zur Seite stand ihr dabei der Ortsheimatpfleger und Historiker Peter Sauerland.
Ein besonderer Ort stand auch im Mittelpunkt einer literarisch-musikalisch-tänzerischen Veranstaltung, zu der die Vorlesebande und die Kulturstiftung Marienmünster in den wunderschönen Klostergarten der Abtei Marienmünster einluden. Patrick Salmen und Quichotte entwickelten dafür gemeinsam mit der Schauspielerin Anna Marienfeld eine Performance unter dem assoziativen Motto "Westfälischer Garten".
Wo ist die Poesie heute? Gibt es sie noch, als lebendigen Teil unserer Kultur? Hat sie geheime Orte in der Stadt oder auf dem Land, Biotope, in denen sie überdauert oder gar neu gedeiht? Birgt Westfalen vielleicht einen noch nicht gehobenen poetischen Schatz an öffentlichen Orten? Und was ist für die heutige Bevölkerung eigentlich Lyrik? Diese Fragen stellte sich Kaspershof gUG und lud Literaturbegeisterte dazu ein, poetische Zeilen im öffentlichen Raum zu suchen. Über 60 Beiträge aus der gesamten Großregion wurden innerhalb von zwei Monaten für die poetica westfalia eingesendet. Neben der digitalen entstand auch eine analoge Karte, die Ende Mai in Münster und Steinhagen präsentiert wurde.


Gleich drei Lesungen veranstaltete die Regionalgruppe Münsterland des Verbands der deutschen Schriftstellerinnen und Schriftsteller VS in ver.di NRW. "Frauen im Aufbruch" widmeten sich Sabine Lipan und Katja Angenent in Münster. Mit "Aufbrüche in Laer - einst und jetzt" wurde ein Nachmittag überschrieben, der sich mit historischen Texten des Mönchs und Bestseller-Autors avant la lettre Werner Rolevinick und aktuellen Texten von Alfons Huckebrink beschäftigte. Weiterhin machten sich unter dem Motto "Poesie wagen" Heide Betram, Thorsten Trelenberg und Matthias Engels mit ihrem Publikum auf den Weg durch den wunderschönen Steinfurter Bagno-Park.
Mit Małgorzata Płoszewska, Tarja Sohmer, Sybille Fritsch und Mark Behrens stellten vier Autor:innen der Europäischen Autorenvereinigung Die KOGGE unterschiedlicher muttersprachlicher Herkunft ein abwechslungsreiches Programm aus Lyrik, Musik und kürzeren Prosatexten zum Thema "Aufbruch in den Frieden" zusammen.
Auch Einzellesungen waren Teil des Programms. So gaben unter anderem die Autor:innen Lina Atfah, Wolfram Frommlet, Jana Goller, Frank Goosen, Daniel Schreiber, Jörg Thadeusz, Sarah Weber, Nasila von Staudt, Herbert Somplatzki und Charlotte von Feyerabend Kostproben aus ihren aktuellen Romanen und Lyrikbänden. Darin drehte sich ebenfalls alles um persönliche Wendepunkte, gesellschaftliche Umbrüche und Rückblicke auf vergangene Aufbrüche.
„Sollbruchstellen: Zeitgeister stanzen die Perforationen für mögliche Umbrüche.”

Die letzte Veranstaltung widmete sich dem Festivalthema dann ganz direkt. Das Deutsche Aphorismus-Archiv Hattingen hatte seinen aktuellen Wettbewerb unter das Thema Aufbrüche - Umbrüche gestellt. 324 Autor:innen beteiligten sich; eine Steigerung um fast ein Drittel verglichen mit den vorherigen Wettbewerben. Bei der Preisverleihung in Hattingen wurde Marie Danelski mit dem, mit 500 Euro und der Radierung "Hattinger Igel" dotierten, ersten Preis ausgezeichnet.
Einen Überblick über alle Festivalveranstaltungen, die in diesem Rückblick nicht genannt werden konnten, finden Sie im digitalen Programmheft. Auf dem YouTube-Kanal des Netzwerks ist außerdem eine Playlist mit allen im Kontext des Festivals entstandenen Videos zu finden.
Bisher sind drei Bücher im Rahmen des aufbrüche-Festivals erschienen, ein weiteres ist in Planung:
- Friedemann Spicker & Jürgen Wilbert (Hrsg.): Aufbrüche - Umbrüche, Edition Virgines, Düsseldorf 2025
- Michael Hellwig (Hrsg.): Zeitgrenzen aufbrechen, Rumpelstilzchen Literaturprojekt, Enger 2025
- Hartwig Reinboth & Michael Hellwig (Hrsg.): zeitenwende, Rumpelstilzchen-Literaturprojekt & Verein für aktuelle Kunst im Kreis Minden-Lübbeke e.V., Enger & Minden 2025
aufbrüche - literaturfestival [lila we:] 2025 war ein Projekt des Netzwerks literaturland westfalen. Es wurde von der LWL-Kulturstiftung im Rahmen des Kulturprogramms zum Jubiläumsjahr "1250 Jahre Westfalen" gefördert. Schirmherr dieses Kulturprogramms ist Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Weitere Förderer des Festivals waren das Ministerium für Kultur und Wissenschaft des Landes NRW, der Sparkassenverband Westfalen-Lippe und die Kulturstiftung der Westfälischen Provinzial Versicherung.