Literaturtipp

Christoph Wenzel

landläufiges lexikon

Edition Korrespondenzen, Wien 2022

Der ländliche Raum, das Hinterland, die Übergangszonen, an denen die Stadt ausfranst, Vororte, die einst Dörfer waren - sie bilden das Terrain der literarischen Geografie von Christoph Wenzel: Orte und Landschaften, die der Mensch geprägt hat, die er sich zur Heimat gemacht und gleichzeitig versehrt hat. Das Ruhrgebiet mit seinem fortdauernden Strukturwandel etwa, den Versuchen einer kulturellen Naturierung von Industriebrachen, das Münsterland, die im Weltkrieg verwüsteten Gegenden Flanderns. Wenzels Gedichte machen Landstriche historisch durchlässig, spannen kollektive wie individuelle Erinnerungs- und Möglichkeitsräume auf - die immer auch sind: Orte innerer und äußerer Krisen, Unorte, Utopien, Herzkammern, Wörterbücher.

"Christoph Wenzel betreibt eine klangstarke Provinz- und Heimatkunde … in einem ironischen Ton, der zugleich Wehmut wie Distanz anschlägt", befand die Jury, die ihm für Gedichte aus diesem Band den Dresdner Lyrikpreis 2020 zuerkannte.

du stehst im hausflur, in der feldflur, inmitten
eines wörterbuchs, wir, ihr, sie, die lücken,
die flecken, die straßen der ersten zwanzig jahre
stehen jetzt im bücherschrank: dein pirschbezirk
nicht unbedingt die wälder - der sundern, das
röhrken, der kappenbusch; dort erstreckt sich
das feldwegenetz, durch das man die schoßhunde hetzt -,
sondern die siedlung, jede der biographischen straßen,
was dort gesprochen wird, passt auf keinen spickzettel.
jede familie ihre eigene sprache, ihre streichholzschachtel,
drei idiome passen hier in einen satz, mindestens, dazu
das platt, in einem wort, einem laut, in einem schrei
das ganze schmale lexikon

www.korrespondenzen.at

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