Literaturtipp

Münsterland e.V. - Kulturbüro (Hrsg.)

stadt.land.text - 10 literarische Perspektiven auf NRW

Vier Monate in einer neuen Umgebung leben und arbeiten: Da bleibt genug Zeit, sich einzufinden, Erwartungen und Vorurteile zu prüfen und über Bord zu werfen, geplante Vorhaben in die Tat umzusetzen und wieder umzustricken, Spuren zu suchen, neue Menschen kennenzulernen und täglich zu grüßen, sich einen Alltag einzurichten, Gewohnheiten zu entwickeln. Genug Zeit, um zu schreiben, um womöglich temporär Teil dieser Region zu werden - was immer das heißen mag.

Die Regionsschreiber:innen des literarischen Residenzprogramms stadt.land.text NRW 2022 haben sich auf dieses Vorhaben eingelassen. Von März bis Juni lebten sie jeweils in einer der zehn Kulturregionen Nordrhein-Westfalens und setzten ihre Projektideen um. In ihrer Themenfindung waren sie frei. Einzige Bedingung dieser dritten Ausschreibung: sich literarisch-künstlerisch mit der jeweiligen Region auseinanderzusetzen. So ging Kadir Özdemir mit seinem Projekt "Bubbles" in der Region Aachen den Fragen nach, was uns in urbanen und ländlichen Räumen zusammenhält und trennt, und wer überhaupt dieses "Uns" ist. Warum arbeiten wir, was wir arbeiten? Darüber schrieb Ulrike Anna Bleier ausgehend von ihren Wanderungen und Gesprächen mit interessierten Weggefährt:innen auf der Straße der Arbeit im Bergischen Land. Dorian Steinhoff wiederum wählte das Rennrad als Fortbewegungsmittel und erschrieb auf der Outdoor-Plattform Komoot ein literarisches Streckennetz durch die Kulturregion Hellweg. Mit selbstgeschöpftem Papier und analogen Fotografien gestaltete, literarische Postkarten aus dem Münsterland verschickte Neïtah Janzing an ihr unbekannte Personen. Odile Kennel übersetzte diese Gedichte, Briefe und Prosa aus dem Quebecer Französisch ins Deutsche. Álvaro Parrilla Álvarez widmete sich ebenfalls dem Unbekannten; namentlich seinem Großonkel Manolo und den lückenhaften Koordinaten seines Lebens als Gastarbeiter am Niederrhein. Diese Texte einer Suche unter dem Titel "Zwei Andalusier im Wilden Westen" übertrug Freyja Melsted aus dem Spanischen ins Deutsche. Tobias Schulenburg spürte in Lyrik und Fotografie dem Alltag nach und reflektierte in Begegnungen und Erlebnissen sein Residieren in Ostwestfalen-Lippe: "Ich kannte niemanden und alle waren nett" - so der einladende Titel seines Projekts. Stefanie de Velasco hingegen kehrte an Orte zurück, die sie aus ihrer Kindheit und Jugend kennt: Als Residentin an der Rheinschiene suchte sie nach Konzepten für nachhaltiges Erzählen. Im Ruhrgebiet verwirklichte Rabab Haidar ein literarisches Barfußlaufen in kleinen Gärten und setzte sich mit dem menschlichen Ego, aber auch mit den eigenen Traumata und Vorurteilen aus- einander; Freyja Melsted übersetzte die Texte aus dem Englischen. Für Tanja Maljartschuk wiederum verlief die Residenz im Sauerland völlig anders als geplant: In ihren Notizen zu einem Stipendium mit Hindernissen erzählt sie vom Schreiben angesichts des Kriegs in der Ukraine, verzahnt mit ihrer historischen Recherche über osteuropäische Zwangsarbeiter:innen in NRW, aus dem Ukrainischen übersetzt von Claudia Dathe. Ob und welche Räume Jugendliche in ländlichen Regionen finden, diese Frage beschäftigte Tobias Siebert in seinen Kurzgeschichten aus Südwestfalen.

Dieser thematischen, künstlerischen und sprachlichen Vielfalt zollt die Anthologie in Form und Länge Tribut: In zehn Kapiteln finden Sie ausgewählte Arbeiten aller Autor:innen - auf Deutsch, aber auch Französisch, Spanisch, Englisch und Ukrainisch. Als "Impressionen" versammeln sich einige Fotos der zahlreichen Lesungen und Exkursionen in ganz NRW und illustrieren, was stadt.land.text NRW von anderen Residenzprogrammen unterscheidet: die enge Verbindung der Autor:innen in die zehn Kulturregionen hinein, der intensive Austausch mit den Menschen vor Ort.

(aus dem Editorial)

www.stadt-land-text.de

Aktuelles
  • Arbeitsstipendien für Autor:innen

    Das Fritz-Hüser-Institut vergibt in diesem Jahr zwei Arbeitsstipendien, dotiert mit je 4.000 Euro. Gefördert wird die Fortführung bzw. Vollendung deutschsprachiger Werke. Vergabekriterien sind literarischer Qualitätsanspruch sowie eine vielversprechende Auseinandersetzung mit Phänomenen der Arbeitswelt.

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  • Es wird magisch in Bergkamens Kitas!

    Schon seit über dreißig Jahren begeistert das Figurentheaterfestival "POCO lässt die Puppen tanzen" Kita-Kinder im westfälischen Bergkamen. In diesem Jahr beteiligen sich 24 Kindergärten und fünf Theatergruppen aus ganz NRW an dem Projekt. Geplant und ausgerichtet wird das Festival vom Kulturreferat der Stadt Bergkamen und dem Namensgeber POCO.

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  • Kita-Projekt "Mal mir ein Bild"

    Was sehen (Kindergarten-)Kinder, wenn ihnen vorgelesen wird, und welche Bilder entstehen, wenn sie zu dem Vorgelesenen malen? Das Rumpelstilzchen-Literaturprojekt stellt interessierten Kitas Texte von lokalen Autor:innen frei zur Verfügung. Eine aktuelle Ausstellung, an der sich sieben Kitas beteiligt haben, ist derzeit in Enger zu sehen.

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  • Kunststiftung NRW startet Mentoring-Programm

    Die Autor:innen Esra Canpalat, Pedro Goncalves Crescenti, Miedya Mahmod und Lisa Tracy Michalik bilden die erste Stipendiat:innen-Staffel des Projekts "plus eins", das ein Arbeitsstipendium mit einem halbjährigen Mentoring-Programm verbindet. Es richtet sich an Autor:innen mit Wohnsitz in NRW, die vor besonderen Herausforderungen stehen.

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